Hendrik Rungelrath
„Nach dem Glimmen. Eine Antwort.“
for Shakuhachi, Koto and Shamisen
In einer Passage des Romans Kinkakuji (Der Goldene Pavillon) von Mishima Yukio spricht Mizoguchi, der Protagonist des Romans, von den Fragmenten seiner Erfahrungen: Er kann sie nicht als Teile eines vergangenen und dann zerbrochenen Ganzen denken, weil, so beschreibt er es, jedes der Fragmente von einer eigenen Zukunft zu träumen scheint. Handelt es sich also um die erinnerten Bruchstücke einer Einheit? Oder geht es umgekehrt darum, aus widerständigen Erinnerungsresten ein Ganzes erst zu formen? Oder ist das vorgestellte zeitliche Ganze eigentlich selbst kein Ganzes, eigentlich selbst: Fragment?
Vor allem die Frage nach zeitlicher Kontinuität und ihren Rissen hat mich bei der Arbeit an Nach dem Glimmen. interessiert. Deshalb werden Teile aus mehreren unabhängig voneinander komponierten Feldern aneinander gespiegelt und zu Mustern zusammengefügt: Dabei entstehen neue Felder, neue Situationen, neue zeitliche Zusammenhänge.
Was den Titel angeht, waren mir vor allem die Präposition nach und das Verhältnis wichtig, das sie zwischen verschiedenen Zeiten angibt: Was – möglicherweise – nach einem Glimmen kommt, wie es danach – möglicherweise – erinnert wird.
Und schließlich wäre das Stück ohne die vielen Diskussionen mit und die vielen Hinweise von Tomoya Yokokawa nicht entstanden, auf die es Eine Antwort ist. Daher die Widmung:
Für – oder eigentlich: wegen – Tomoya Yokokawa.
(Hendrik Rungelrath)
Hendrik Rungelrath, geboren 1987 in Krefeld, studierte zunächst Philosophie und Theologie in Bonn und Salzburg. Im Anschluss studierte er Komposition bei Christian Ofenbauer, Tristan Murail und Elena Mendoza am Mozarteum Salzburg sowie an der Universität der Künste Berlin. Hendrik war Finalist des Ö1-Kompositionswettbewerbs 2014 und Preisträger bei Wettbewerben wie dem Vareler Kompositionspreis 2015, dem Wettbewerb „New Music Generation“ Kasachstan 2020 oder dem Wettbewerb „Over the rainbow“ Wien (2021). Im Jahr 2020 promovierte er an der Universität Salzburg mit einer Dissertation über den italienischen Philosophen Giorgio Agamben und arbeitet seit April 2021 an einem musikwissenschaftlichen Forschungsprojekt an der Universität des Saarlandes, Saarbrücken.